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Interview: Aktuelle Herausforderungen für Humanitäre Hilfe im Sudan

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Der Krieg im Sudan ist die größte humanitäre Krise in der Region und eine der größten der Welt. Rund 25,6 Millionen Menschen - mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung - sind von akutem Hunger bedroht und mehr als 10 Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben. Im Interview berichtet Charlotte Greene, Leiterin Regional Hub Westafrika & Karibik der Diakonie Katastrophenhilfe, über aktuelle Herausforderungen der Humanitären Hilfe vor Ort.

Frau Greene, was sind die Herausforderungen für die humanitäre Hilfe im Sudan und wie sieht der humanitäre Bedarf konkret aus?

Nun, die erste große Herausforderung besteht darin, dass unsere Partner in einem aktiven Kriegsgebiet tätig sind und die Kontrolle über die Gebiete häufig wechselt. Sich zu bewegen ist für die Menschen sehr schwierig und gefährlich. Wir unterstützen die Bemühungen des Emergency Support Room-Systems (ERR) im ganzen Land - derzeit in Darfur, Kassala und West-Kordofan. Die einzelnen Gemeinden arbeiten jeweils in einem geografischen Gebiet in der Nähe ihrer Basis. Diese Situation bedeutet, dass es schwierig ist, Hilfsgüter zu transportieren – das ist eine echte Herausforderung. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe wurde die Infrastruktur erheblich beschädigt, was die Fortbewegung von Ort zu Ort und den Zugang zu Dienstleistungen erschwert.In den vergangenen Wochen und Monaten haben Freiwillige, die im Rahmen des von uns unterstützten ERR-Netzwerks tätig sind, ihr Leben verloren. Trotz dieser Verluste arbeiten die Gruppen weiter und unterstützen ihre notleidenden Mitbürger. 

Eine weitere Herausforderung ist das Geld: Das sudanesische Pfund hat seit Beginn des Krieges mehr als 50 Prozent seines Wertes verloren. Die Ressourcen werden immer knapper und der Transport ins Land bleibt gefährlich und unsicher. So steigen die Preise, etwa für Lebensmittel, immer weiter an – und damit auch die humanitären Bedarfe. Gleichzeitig wird unsere Kaufkraft und die unserer Partner geschmälert. Da jetztn eine Hungersnot eingetreten ist, benötigen die Menschen als oberste Priorität dringend Nahrungsmittel und Ernährungshilfen.
 

Auch andere Regionen in Westafrika leiden unter dem zunehmenden Hunger. In der DR Kongo führen Sie gerade ein Ernährungsprojekt für mehr als 10.000 Menschen in Süd-Kivu durch. Wie entscheiden Sie angesichts der vielen Notsituationen, wo Sie helfen?

Um ehrlich zu sein, ist es wirklich schwierig. Die Entscheidung, wo man in West- und Zentralafrika helfen soll, ist eine unglaubliche Herausforderung, weil sich so viele Krisen überschneiden. Naturkatastrophen, Krankheiten und neue Konflikte kommen zu den seit langem bestehenden wirtschaftlichen und politischen und verstärkt auch klima-bedingten Krisen hinzu.
Wir konzentrieren uns auf Bereiche, in denen es Lücken in der Hilfe gibt und der Bedarf zugleich hoch ist, und in denen wir das Gefühl haben, wirklich etwas bewirken zu können. Wir berücksichtigen jedoch auch die Sicherheit unserer lokalen Partner und beschränken unsere Projekte auf Gebiete, in denen sie sicher arbeiten können.

Unsere Partner können auch schwer zugängliche und oft abgelegene Gebiete erreichen. Manchmal ist es teurer, an diesen Orten zu operieren. Wir gehen dorthin, wo andere es nicht können oder wollen, denn sonst würden viele Menschen nicht die dringend benötigte Hilfe erhalten. Unser Ziel ist es immer, das Ausmaß der Krise mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen in Einklang zu bringen. So stellen wir sicher, dass unsere Hilfe Wirkung zeigt.
 

Wo werden Sie in Ihrer Region im Jahr 2025 Prioritäten setzen und wo wird Hilfe besonders wichtig sein?

In West- und Zentralafrika sind die Herausforderungen aufgrund von regionalen Kriegen, politischer Instabilität, Ernährungsunsicherheit und Klimawandel grenzüberschreitend. Wir sind der Ansicht, dass regionale, grenzübergreifende Projekte in diesen Kontexten am wirksamsten sind. Daher werden wir unsere Hilfe auf Regionen konzentrieren, in denen diese Probleme besonders ausgeprägt sind. Eines der wichtigsten Gebiete ist für uns das Dreiländereck Burkina Faso, Mali und Niger – dort gibt es erhebliche Vertreibungen durch Gewalt nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen. Auch das Tschadseebecken leidet unter Konflikten, Ernährungsunsicherheit und Vertreibungen, ebenso wie die Grenzregion zwischen dem Sudan, dem Tschad und der Zentralafrikanischen Republik. 

Die DR Kongo ist das Land, in dem in dem derzeit weltweit die meisten Menschen an Hunger leiden. Dort werden wir unsere Arbeit fortsetzen und uns auf die Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu im Osten des Landes konzentrieren. Es ist ein schwieriges, sehr dynamisches Gebiet, in dem sich die Rahmenbedingungen für Hilfe ständig ändern. Leider wird auch dieser Konflikt zunehmend vergessen. Neben dem Zugang zu Nahrungsmitteln und dringender Hilfe für die Opfer von Gewalt wollen wir Frauen und Mädchen wirtschaftliche Möglichkeiten bieten, damit sie Notlagen besser überstehen können. In Haiti wollen wir unsere Hilfe für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt ausbauen. Es gibt dort nur wenig Hilfsangebote und die Situation dort ist ebenfalls sehr alarmierend. 

 

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