Mit mobilen Waschmaschinen in Antakya unterstützt unsere Partnerorganisation Betroffene des Erdbebens, die ihr Zuhause verloren haben. Tommy Ramm, Pressesprecher der Diakonie Katastrophenhilfe, hat vor Ort mit den Menschen über die aktuelle Situation gesprochen.
Die Stadt Antakya in der Provinz Hatay gleicht einer Geisterstadt. Alle Gebäude im Zentrum, die noch stehen, sind menschenleer. Gardinen und Vorhänge flattern durch zerbrochene Scheiben. Niemand will und kann mehr darin wohnen. In einigen Straßenzügen graben sich Bagger durch den Schutt, Lastwagen transportieren das ab, was mal die Stadt mit rund einer halben Million Einwohner gewesen ist. Mehr als die Hälfte der Einwohner soll die Stadt verlassen haben. Wer geblieben ist, lebt in Zelten. Entweder in offiziellen Camps oder in informellen Zeltsiedlungen. Viele Menschen bevorzugen Letzteres, um ihr verbliebenes Hab und Gut zu schützen und die Nähe zu Angehörigen und Nachbarn zu bewahren.
In einem Stadtviertel treffen wir Gülden Helvaci. In ihrer Hand ein roter Korb voller Wäsche, die sie in eine Waschmaschine stopft. Auf dem umgebauten LKW-Anhänger stehen fünf dieser Maschinen und drei Trockner, zwei große Tanks mit Wasser und ein Generator, der den mobilen Waschsalon mit der nötigen Energie versorgt. Die fahrenden Waschmaschinen gehören zu den Hilfsmaßnahmen, welche Support to Life, der lokale Partner der Diakonie Katastrophenhilfe, in der Region leistet. Die Menschen melden telefonisch den Bedarf an, der Salon kommt hin und kann genutzt werden. Er steht jeden Tag woanders, um Menschen zumindest die Möglichkeit zu geben, ihre Wäsche zu waschen.
Während des Waschgangs kommen zwei Frauen ins Gespräch. Jetzt haben sie einen moment Zeit, um über die letzten Wochen zu sprechen. Sie leben in einem Zelt auf Sichtweite des Waschsalons, genauso wie rund 20 Nachbarfamilien des Stadtviertels. „Ich hatte geahnt, das etwas kommt“, sagt Vildan. Deshalb sei sie in der Nacht der Katastrophe wach gewesen und sie war schnell mit ihrem Mann im Freien. „Ich schaute nach links und ein Haus brach zusammen. Ich schaute nach rechts und ein weiteres Haus stürzte ein“, erinnert sie sich.
Sofort fing sie an, Menschen aus dem Schutt zu retten. „Eine junge Frau kam aus den Trümmern. Ich habe sie auf den Arm genommen. Wir stiegen ins Auto, um ins Krankenhaus zu fahren. Doch die Straßen waren gesperrt. Ich habe sie in meinen Armen verloren“, erzählt Vilcan. „Sie war erst kürzlich Anwältin geworden und war die Nachbarin meiner Tochter.“ Diese lebte im obersten Stock eines Gebäudes, dass die unteren Etagen und die Bewohner unter sich begrub. „Sie überlebte, hatte aber eine Verletzung an der Wirbelsäule. Es dauerte fünf Tage, bis wir außerhalb der Stadt eine Behandlung für unsere Tochter fanden“, erzählt Vildan. Das Überleben der Tochter war Glück im Unglück. 70 Angehörige hat die Familie durch die Katastrophe verloren.
Danach folgte eine Zeit des Schmerzes und der Entbehrungen. „In den ersten Tagen blieben wir in unserem eigenen Auto“, berichtet Gülden, denn ihr Haus sei beim zweiten Beben völlig zerstört worden. Während ihre Tochter mit dem Papierkram beschäftigt war, um zum Haus ihres Mannes zu reisen, der in Qatar arbeitete, blieb die Familie mit meiner Enkelin im Auto. „Es war sehr schwierig. Das wissen nur diejenigen, die es erlebt haben. Es gab Frost, der Ventilator im Auto funktionierte nicht, ich versuchte, meine Enkelin mit Decken zu wärmen. Dann haben wir ein Campingzelt gefunden und darin übernachtet, aber auch das war schwierig, wir konnten in den ersten zwei Wochen kein normales Zelt finden.“
Eine Perspektive? Die gibt es derzeit nicht, sagen beide. Der Mann von Gülden arbeitete früher als Getränkelieferant, den Job hatte er kurz vor dem Beben aufgegeben. Sie haben kein Einkommen, sind vollkommen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Drei Mal täglich stellen sie sich für eine warme Mahlzeit einer nahegelegenen Ausgabestelle an, die vielerorts das Bild prägen. Über STL haben sie Hygienekits erhalten. Wie es weitergeht, wissen sie nicht. Die Menschen wurden aufgefordert, in Containersiedlungen zu ziehen, aber niemand will die Nachbarschaft und Angehörigen verlassen. „Gestern waren wir noch reich, heute sind wir arm. Aber Gott sei Dank sind wir noch am Leben“, sagt Gülden.