Hunderttausende Menschen sind seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine auf der Flucht. Eine Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe versorgt sie an der Grenze zu Ungarn mit Essen und Hygiene-Artikeln. Dabei berichten die Menschen über ihre Flucht.
Nikolai und seine Freunde aus Charkiw:
„Die Stimmung war ja schon den ganzen Februar sehr angespannt, wir hatten uns schon innerlich darauf vorbereitet, dass wir bald fliehen müssen. Als die russischen Truppen dann letzte Woche in die Ukraine einmarschierten, wussten wir trotzdem nicht sofort, was wir tun sollen. Dann hörten wir Schüsse aus nicht allzu großer Entfernung und packten so schnell wir konnten alles in einen Koffer und fuhren zum Bahnhof. Dort herrschte komplettes Chaos. Wir kämpften uns durch, um in einen Zug zu kommen, von dem wir nicht mal genau wussen, wohin er fuhr, Hauptsache raus der Stadt. Dabei hörten wir die ganze Zeit die Schüsse und Kämpfe immer näher kommen. Als wir endlich die Stadt verließen, wiegten wir uns kurz in falscher Sicherheit. In Poltava mussten wir den Zug wechseln und uns wieder durchkämpfen, um in den Zug Richtung Lviv zu gelangen. Wir sind zu siebt in Charkiw gestartet, in den Zug nach Lviv schafften es nur drei von uns. Der Bahnhof in Lviv ist zu einem Drehkreuz von Menschen geworden, die verzweifelt versuchen außer Landes zu kommen. Die Menschen warten dort auf Züge nach Polen, die aber nicht kamen. Wir entschieden uns deswegen über Uzhgorod nach Ungarn zu fliehen, doch dann sahen wir, dass die Menschen von dort bereits zurückkamen, deshalb versuchen wir jetzt, über die Grenze in Berehovo nach Ungarn zu kommen. Viele unserer Freunde werden die Ukraine nicht mehr verlassen können. Einige wurden verhaftet, weil sie versuchten zu fliehen, andere kämpfen bereits an der Front. Ich frage mich, ob ich sie je wiedersehen werde.”
Vitalij mit seiner Frau und seinem Sohn aus Chmelnyzkyj:
„Wir konnten relativ schnell hier an die Grenze nach Ungarn fliehen, weil wir wenig befahrene Nebenstraßen nehmen konnten. Aus den größeren Städten ist das schwieriger, es gibt Staus von teilweise mehr als zehn Kilometern. Ich werde in der Ukraine bleiben müssen, auch wenn ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vom Militär eingesetzt werden kann. Meine Frau und mein Sohn werden bei Freunden in Budapest unterkommen. Meine Familie jetzt ohne mich weiterreisen zu lassen, ist die schwerste Entscheidung, die ich je treffen musste. Ich darf das Land nicht verlassen, aber sie. Ich will ihnen die Möglichkeit geben, ein sicheres Leben zu leben. Ich kann nur hoffen, dass unsere Familie bald wieder zusammenkommt, aber jetzt stehen uns schwere Tage bevor.”
Yelena, Mutter von drei Kindern, aus Kherson:
„Mein Mann kämpft an der Front. Wir Frauen in der Familie haben beschlossen, dass wir unsere Kinder in Sicherheit bringen müssen. Wir haben Kherson verlassen und wollten uns mit meiner Schwester in Dnipro treffen. Doch dann hörten wir, dass Dnipro bombardiert wird, und mussten einen anderen Weg nehmen. Wir sind dahin gefahren, wohin das Auto fuhr, an den Großteil der Fahrt kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Meine Kinder fragten, wohin wir fahren, und ich konnte ihnen keine Antwort geben. Als wir hörten, dass die polnische Grenze komplett dicht ist, entschieden wir uns über die Berge zu fahren, um nach Ungarn zu gelangen. Meine Schwester ist noch unterwegs, ich weiß nicht, wo sie und meine Nichten jetzt sind. Wir warten jetzt seit über fünf Stunden hier an der Grenze, es is kalt und meine Kinder frieren. Aber wir sind so dankbar, dass Menschen hier sind, um uns zu helfen. Allein schon zu reden, hilft und lässt uns auf eine bessere Zukunft hoffen."
Wie kann ich helfen? Häufige Fragen zum Thema Hilfe in der Ukraine