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PR-Bild des Jahres 2023: Interview mit Fotograf Frank Schultze

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Kurz nach der Invasion Russlands begleitete der Fotograf Frank Schultze Flüchtlinge an der polnisch-ukrainischen Grenze. Dabei entstand das eindrückliche Foto eines müden kleinen Jungen, das für die Nutzung durch die Diakonie Katastrophenhilfe entstanden ist. Das Foto gewann 2023 den renommierten PR Bild-Award von news aktuell. Wir haben Frank Schultze gefragt, wie das Foto entstanden ist.

Lieber Frank Schultze, der erste Platz für ihr Foto wurde unter anderem damit begründet, dass es ein kraftvolles Zeugnis für Menschlichkeit und Mitgefühl sei. Suchen Sie das, wenn Sie fotografieren?

Ja, auf jeden Fall. Das ist eine der wichtigsten Herangehensweisen in meiner journalistischen Fotografie. Ich lass mich dabei oft durch mein Bauchgefühl leiten und halte nach Motiven Ausschau, die das und die Situation gut beschreiben können. Es ist aber nicht einfach, in solchen überwältigenden Situationen den Überblick zu behalten. Grundsätzlich versuche ich ruhig und zurückhaltend zu bleiben und warte auf den richtigen Moment für mein Bild. Es geht mir auch immer darum herauszufinden, ob die Menschen mich mit der Kamera dulden. Dafür habe ich durch meine lange Erfahrung ein Gespür entwickelt. Ganz wichtig ist beim Fotografieren auch, kommende Geschehnisse vorauszuahnen.

Wie ist das Bild damals entstanden? Wie war die Situation vor Ort?

Schon zwei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine bin ich zum polnisch-ukrainischen Grenzübergang in Medyka gereist, um dort die Flüchtlingsbewegung zu dokumentieren. Der Strom der verzweifelten, aber auch erleichterten Frauen und Kinder riss nicht ab. Am 3. März habe ich dann die Grenze zur Ukraine überqueren können, um das Flüchtlingsdrama auf der ukrainischen Seite am Grenzübergang in Shehyni zu fotografieren. Schwer bewaffnete ukrainische Soldaten ließen mich aber nur eine Stunde dort arbeiten. In all dem Chaos viel mir dieser kleine, erschöpfte Junge auf, der mit seinen Angehörigen schon lange auf die Grenzabfertigung ins sichere Polen wartete. Leider konnte ich in der Hektik nicht nach seinem Namen fragen, und ich weiß auch nicht, was aus ihm geworden ist. Für mich beruhigend ist, dass er in Sicherheit gekommen ist.

Wann entstehen die aus ihrer Sicht besten Fotos auch in schwierigen Situationen, etwa in Kriegen oder nach Naturkatastrophen?

Das kann ich nicht generell beantworten. Wenn ich auf dramatische Situationen intuitiv mit meiner Kamera reagieren kann, entstehen auch meistens intensive Bilder. Dabei können in kürzester Zeit viele unerwartete Ereignisse vor einem geschehen, auf die man blitzschnell reagieren muss. Die Erfahrung, sich sensibel in solchen Situationen zu bewegen und Dinge vorausahnen zu können, helfen sehr. Aber oft können auch abseits von Kriegen und Katastrophen intensive Bilder entstehen.

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