Im heutigen Eintrag schildert Imke Hansen, Mitarbeitende unserer ukrainischen Partnerorganisation Vostok SOS, ihre Eindrücke von den Erlebnissen in Pokrovsk. Hier fährt mehrmals wöchentlich ein Evakuationszug ab. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen ist Imke auf Monitoring Mission im Osten der Ukraine und besucht Orte, um mit den Menschen zu sprechen, die Lage zu erfassen, humanitäre Nöte zu erkennen und Evakuationsbedarf zu registrieren. Wir veröffentlichen Auszüge aus ihrem Logbuch.
Der Bahnhof von Pokrovsk ist aktuell einer der Angelpunkte der Evakuierung. Von hier fährt dreimal die Woche ein Evakuationszug nach Dnipro. Dieser Zug hat einen Liegewagen, so dass auch Menschen, die liegend transportiert werden müssen, mitfahren können. Da sich Vostok SOS auf die Evakuation von Menschen mit eingeschränkter Mobilität, also alte und kranke Menschen, Frauen vor oder kurz nach der Geburt und Menschen mit Behinderung, spezialisiert hat, ist der Zug für uns wichtig. Jeden Montag, Mittwoch und Freitag evakuiert unsere Evakuationscrew Menschen und bringt sie zum Zug. Dort müssen sie vom Wagen in den Zug geladen werden, und das auf eine möglichst sichere und auch für kranke Menschen möglichst schmerzfreie Weise – kein leichtes Unterfangen.
Als wir ankommen, steht der Wagen der Evakuationscrew bereits auf dem Bahnsteig, ältere Menschen bewegen sich drum herum. Jemand klettert aus dem Wagen, jemand sucht eine Tasche, und die Arbeiter der ukrainischen Bahn in orangenen Warnwesten bereiten die Hebebühne vor. Ich sehe als erstes Eduard von der Evakuationscrew, was nicht verwunderlich ist, weil der der größte ist. Die Personen, die liegend transportiert werden müssen, werden nun aus dem Auto in eine elastische Trage gehoben, und mit dieser auf die Hebebühne, um dann durch den schmalen Korridor in ihr Zugabteil gebracht zu werden. Der Prozess erfordert physische Kraft und Konzentration. Während die Crewmitglieder die Person tragen, reden sie mit ihr, geben Zuspruch, oft sanfter als man es Ihnen zugetraut hätte.
Gerade heute treffen wir auch noch den jüngsten Fahrgast der Evakuationstransporte der gesamten letzten neun Monate. Er ist 13 Tage alt, in eine blaue Decke gewickelt und mit pinkem Geschenkband zusammengeschnürt. Er wird nicht von der Evakuationscrew getragen, sondern von seiner Mutter, die sich von der schweren Geburt noch nicht vollständig erholt hat. Roma, der Mutter und Kind evakuiert hat, posiert stolz für ein Foto mit den beiden.