Tausenden Menschen droht der Hungertod
Not in Haiti nimmt dramatische Ausmaße an
Steigende Preise, ausufernde Bandenkriminalität und ein akuter Treibstoffmangel wirken sich katastrophal auf die Versorgung der Bevölkerung in Haiti aus. 19.000 Menschen stehen laut UN-Angaben vor dem Hungertod, was es in der Geschichte des krisengeschüttelten Karibikstaates noch nicht gegeben hat. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat im September ein Programm gegen den Hunger aufgesetzt, das jedoch nur stockend starten kann. „Der Treibstoffmangel und die Unsicherheit fordern uns enorm heraus“, sagt Daniela Simm, Kontinentalverantwortliche bei der Diakonie Katastrophenhilfe.
4,7 der insgesamt elf Millionen Einwohner Haitis haben keinen gesicherten Zugang zu ausreichend Nahrungsmitteln mehr. Bewaffnete Gruppen kontrollieren und blockieren seit Wochen Teile der Hauptstadt Port-au-Prince. Waren gelangen dadurch nicht mehr in ländliche Gebiete und viele Menschen sind von jeglicher Versorgung abgeschnitten. „Die Menschen außerhalb der Hauptstadt kommen kaum noch an importierte Grundnahrungsmittel wie Speiseöl oder Mehl heran“, erklärt Simm. In dem Land, das auf Importe angewiesen ist, können die Menschen nur schwer mit den wenigen verfügbaren lokalen Produkten überleben.
In den vergangenen Wochen kam es wiederholt zu Plünderungen von Warenlagern der Hilfsorganisationen. Die Versorgung besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen ist dadurch akut gefährdet. Erst im August 2021 erschütterte ein schweres Erdbeben den Süden Haitis. Dort unterstützt die Diakonie Katastrophenhilfe den Aufbau von 46 erdbebenresistenten Wohnhäusern. Doch auch die Baumaßnahmen verzögern sich: „Unsere Partner kommen nicht mehr an Zement, Eisen oder Holz. Die Fahrt in die Hauptstadt ist einfach zu gefährlich und zu teuer geworden“, berichtet Simm.
Der Mangel an Treibstoff bringt das Leben landesweit zum Erliegen. Nachdem die Regierung von Präsident Henry im September ein Ende der Subventionierung von Treibstoff angekündigt hatte, übernahmen bewaffnete Gangs die Kontrolle über Treibstofflager in Port-au-Prince. Diesel und Benzin sind oft nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Bis zu drei Euro pro Liter Diesel sind in einem der ärmsten Länder der Welt kaum bezahlbar. „Hilfsorganisationen arbeiten mit zuvor angelegten Spritreserven oder unterstützen sich gegenseitig, um nicht gänzlich handlungsunfähig zu werden“, sagt Simm. Ziel sei es, zumindest die Maßnahmen aufrecht zu erhalten, die kaum Material oder Treibstoff verbrauchen, bis sich die Lage wieder stabilisiert.
Aufgrund der prekären Situation breitet sich vor allem in Port-au-Prince Cholera aus. Bis 22. Oktober starben 40 Menschen an der Durchfallkrankheit, weitere Krankheitsfälle wurden in anderen Landesteilen registriert. Die Diakonie Katastrophenhilfe leitet zusammen mit allen Partnern präventive Maßnahmen ein, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Menschen werden über Hygiene aufgeklärt, oder Seife und Chlortabletten zur Wasserdesinfektion verteilt. Viele medizinische Einrichtungen können nur noch eingeschränkt arbeiten, weshalb präventive Maßnahmen umso wichtiger sind.
Die Diakonie Katastrophenhilfe ist seit 2004 in Haiti aktiv. Mit Partnerorganisationen unterstützt das Hilfswerk beim Wiederaufbau nach Naturkatastrophen, die regelmäßig auftreten. Weitere wichtige Bestandteile der Hilfe sind: eine verbesserte Landwirtschaft in dürregeplagten Regionen und mehr Widerstandskraft gegenüber Wetterextremen und Naturkatastrophen. Beim Erdbeben 2010 kamen mehr als 220.000 Menschen ums Leben. Von den enormen Schäden konnte sich das Land bis heute nicht erholen.
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