Politische Arbeit nach Flut: Sprachrohr für Betroffene
Neben der Projektarbeit ist auch die politische Arbeit Teil unserer Strategie: Wir wollen im regelmäßigen Austausch mit den Ländern bleiben, um weiterhin Sprachrohr für Betroffene zu sein.
Neben den Individualhilfen für die Menschen in den Flutregionen wollen wir nun auch die Quartiersarbeit verstärkt in den Blick nehmen. Heißt: Wie können wir die Gemeinschaften vor Ort wieder stärken? Teilweise ist dort der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren gegangen, zentrale Treffpunkte wie Marktplätze oder auch die Eckkneipe, in der man sich früher traf, gibt es nicht mehr. Wir entwickeln Ansätze, mit denen wir den Nachbarschaften unterstützen und deren Wir-Gefühl stärken können. Das können beispielsweise Aktivitäten sein, die den Austausch miteinander fördern, aber auch der Wiederaufbau von Infrastruktur. Außerdem sollten wir uns als Gesellschaft überlegen, was wir aus der Katastrophe lernen und wie wir uns künftig besser vor solchen Katastrophen schützen können.
Vor meiner Aufgabe als Fluthilfekoordinator in Deutschland war ich weltweit im Einsatz. Etwa auf Haiti oder in Syrien und die Arbeit unterscheidet sich doch in einigen Punkten stark. Toll ist es zunächst einmal, auf Deutsch arbeiten zu können und zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeit, sich während der Arbeit mit Malaria oder Cholera anzustecken, gering ist... Grundsätzlich unterscheidet sich das Bearbeiten von Naturkatastrophen - wie 2021 in Deutschland - besonders vom Umgang mit durch Menschen verursachte Katastrophen - beispielsweise der Krieg in Syrien. Dies liegt vor allem daran, dass Betroffene Naturkatastrophen oft besser verarbeiten können, weil es für sie in der Regel keine Verantwortlichen gibt. Von Menschen verursachtes Leid hingegen, die Erfahrung von Gewalt, Tod und Vertreibung, zerstört oft das Grundvertrauen in Menschen und hinterlässt schwere Traumata. Das kann in der Arbeit mit Betroffenen eine besondere Herausforderung darstellen.
In Deutschland müssen wir erst wieder lernen, um in Zukunft besser geschützt zu sein
Ein weiterer Unterschied, der mir aufgefallen ist: Im Gegensatz zu den Deutschen sind beispielsweise die Menschen in den Philippinen teilweise besser auf mögliche Katastrophen und deren Vermeidung vorbereitet, weil sie regelmäßig von Taifunen und Erdbeben betroffen sind. Sie haben besser gelernt, mit solchen Risiken zu leben und damit persönlich oder auch in der Gemeinschaft umzugehen. Das müssen wir in Deutschland erst wieder lernen, um in Zukunft besser geschützt zu sein. Wir müssen außerdem akzeptieren, dass wir hier in unseren Häusern und Städten nicht unverletzlich sind und wegen der Klimaveränderung in Zukunft sogar immer häufiger von möglichen Katastrophen betroffen sein werden.
Auffällig ist zudem, dass die Koordination der Hilfe bei Auslandseinsätzen meist besser funktioniert hat als hier, da sie durch bestehende Automatismen des internationalen Hilfe-Systems sofort gegeben ist. In Deutschland hingegen lief die Koordination aus meiner Sicht nicht gut, da sich hier – zumindest anfangs – dafür leider niemand verantwortlich fühlte. Was mich jedoch positiv beeindruckt hat, war die Bereitschaft der Menschen, die Betroffenen im Ahrtal und in anderen Regionen durch selbst Anpacken und mit Spenden zu unterstützen. Das hat auch uns als Hilfsorganisation in die Lage versetzt, großzügig helfen und mittelfristig planen zu können. So etwas ist in anderen Krisen und Katastrophen, die weniger in der Öffentlichkeit stehen, oft leider nicht möglich ist, weil schlichtweg Spenden und andere Mittel fehlen.