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Bundeshaushalt 2025: Menschlichkeit ausreichend finanzieren

zurück Max Freundlieb

Die Bundesregierung plant, die humanitären Geldern im Etat des Auswärtigen Amts für 2025 um 1,2 Milliarden Euro zu kürzen - ein Minus von 54 Prozent gegenüber 2024. Gleichzeitig fordern viele eine politischere und effizientere humanitäre Hilfe. Anlass genug für einige Überlegungen, was prinzipientreue humanitäre Hilfe leisten kann, warum sie aktuell unabdingbar ist und was sie benötigt.

Ohne neue Mittel des Auswärtigen Amtes musste die Diakonie Katastrophenhilfe ihr Programm in Bangladesch für vertriebene Rohingyas stark reduzieren.

Aktuell benötigen 311 Millionen Menschen weltweit humanitäre Hilfe. Zusammen würden sie das Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt bilden. Diese Menschen haben sich nicht dazu entschieden, Hilfe zu benötigen. Sie leiden unverschuldet in über 120 bewaffneten Konflikten weltweit oder – bei manchen und – unter immer extremeren Wetterereignissen, getrieben von der Klimakatastrophe. Sie durchleben Unrecht und Ungerechtigkeit. Vertreibung, Diebstahl, Hunger, Angst, sexualisierte Gewalt, Missbrauch, Verletzungen, Trennung von Familienmitgliedern, Tod. Statt eines selbstbestimmten Lebens sind sie auf die Hilfe von Fremden angewiesen. Egal, wie respektvoll humanitäre Programme heute umgesetzt werden: Ein Leben in Zeltstätten, abgeworfene Essenspakete aus Flugzeugen oder Hilfspakete mit zu vielen ausländischen Logos schränken die Würde eines jeden Menschen ein.

Unparteilichkeit der humanitären Hilfe

Dass die Würde und Bedürfnisse von Menschen in Not im Zentrum der humanitären Hilfe stehen, war Konsens in Deutschland. Prinzipienorientierte humanitäre Hilfe nennen wir das. Das Prinzip der Unparteilichkeit – nicht zu verwechseln mit der ebenso wichtigen Neutralität – schreibt uns vor, Hilfe allein nach dem Maß der Not zu leisten. Religion, Geschlecht, Herkunft oder politische Orientierung dürfen keine Rolle bei der Auswahl von Bedürftigen spielen. Humanitäre Hilfe ist wie die Feuerwehr, die Menschen in Not beisteht. Die fragt nicht, welchen Pass die bedürftige Person hat. Doch politische Forderungen in Deutschland, öffentlich und auch verborgen, tun genau dies: Sie wollen erreichen, dass humanitäre Hilfe außenpolitische und sicherheitspolitische Interessen Deutschlands flankiert. Geld für humanitäre Hilfe soll in die Krisenkontexte fließen, wo Deutschland sicherheitspolitische Interessen hat (z. B. in der Ukraine) oder deren Regierung außenpolitisch mit Deutschland kooperiert (z. B. gegen Russland). Wenn wir humanitäre Hilfe diesen außenpolitischen Kalkulationen unterordnen, lassen wir Menschen in Not im Stich, die in „uninteressanten“ oder „problematischen“ Kontexten geboren worden sind. Und wir verwandeln humanitäre Hilfe von einem Instrument der globalen Solidarität und Menschlichkeit in ein Instrument nationaler Interessen.

Apropos nationale Interessen

Die vorgeschlagenen Kürzungen werden auch damit begründet, dass Deutschland lange genug über seine Verhältnisse humanitäre Hilfe finanziert hätte. Humanitäre Gelder im Etat des Auswärtigen Amts veranschlagen im Haushaltsentwurf 1,040 Milliarden Euro. Das entspricht nur 0,21 Prozent des Gesamthaushalts. Als Empfänger von humanitärer Hilfe nach dem Zweiten Weltkrieg hat Deutschland eine historische Verantwortung, nun seinerseits humanitäre Hilfe ausreichend zu finanzieren. Das war auch vielen Politikern und Politikerinnen bewusst, als sie im Koalitionsvertag die Verstetigung und Erhöhung von humanitären Geldern versprachen.

Die effizienteste humanitäre Hilfe ist die, die es gar nicht erst braucht.

Um die Kürzungen zu kompensieren, sollen Effizienzsteigerungen her. Sicherlich können humanitäre Gelder effizienter eingesetzt werden, allerdings eher im UN-System als bei Nichtregierungsorganisationen. Aber fast 60 Prozent weniger humanitäre Gelder seit 2022 können durch Effizienzgewinne in keiner Weise kompensiert werden.

Die Ursache von humanitären Bedarfen anzugehen – das wäre ein großer Effizienzgewinn. Dazu ist eine Entwicklungspolitik nötig, die nationale und örtliche Resilienzen gegen Schocks aufbaut. Eine Klimapolitik, die CO2-Emissionen verringert und Klimaanpassungsprogramme für Menschen im Globalen Süden finanziert. Eine Krisenprävention und Friedensförderung, die bewaffnete Konflikte verhindert oder enden lässt. Aber auch diese Haushaltsposten werden 2025 voraussichtlich nicht ausreichend finanziert.

Kommt es zu bewaffneten Konflikten, setzt das humanitäre Völkerrecht den Konfliktparteien Grenzen, um ein Mindestmaß an Menschlichkeit zu bewahren. Die Achtung dieser humanitären Normen macht humanitäre Hilfe weniger notwendig. Lokale Märkte funktionieren weiter, Gesundheitspersonal wird nicht vertrieben und Menschen müssen kaputte Häuser nicht verlassen. Leider erfährt das humanitäre Völkerrecht aktuell politisch und militärisch wenig Achtung.

Was bedeuten die Kürzungen für Menschen in Not und die Diakonie Katastrophenhilfe?

Die Kürzungen scheinen auch möglich, weil die Betroffenen und die Konsequenzen fernab vom politischen Berlin sind. Wer ein Gefühl für die Konsequenzen der Kürzungen bekommen möchte, möge sich die Programme der Diakonie Katastrophenhilfe ansehen. Die vorgesehenen humanitären Kürzungen von 54 Prozent beim größten Drittmittelgeber der Diakonie Katastrophenhilfe bedeuten, entweder die Hälfte der Programme zu schließen oder viele Programme zu halbieren. Diese simple Rechnung vereinfacht zu vieles, lässt aber auch steigende Inflationskosten und stagnierende Spendeneingänge außer Acht.

So steht man vor der Entscheidung, welche Menschen angesichts fehlender Gelder keine Hilfe erhalten sollen. Eine schmerzhafte Entscheidung mussten wir bereits treffen: Ohne neue Gelder des Auswärtigen Amts haben wir unser Programm in Bangladesch stark reduziert. Dort halfen Partnerorganisationen Rohingyas, die seit 2017 mit unvorstellbarer Gewalt aus Myanmar vertrieben wurden.  Wird der Haushaltsentwurf so im November 2025 verabschiedet, bleibt dies nicht das einzige Land, wo Menschen in Not zurückgelassen werden.  

Politische Verantwortung jenseits der nationalen Logik

Die große Mehrheit der Wähler und Wählerinnen in Deutschland finden humanitäre Hilfe wichtig. In nationalen und internationalen Krisenzeiten die Augen nicht vor den Leiden Anderer zu verschließen, für sie da zu sein und Verantwortung zu übernehmen, ist Ausdruck unserer geteilten Menschlichkeit. Es ist das, was uns zu Menschen macht. Diese Menschlichkeit sollte im Bundeshaushalt 2025 ausreichend finanziert sein, auch wenn sie nicht in die nationale Logik passt, die derzeit so en vogue ist.

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