Drei Jahre Krieg in Syrien und die neue außen- und sicherheitspolitische Verantwortung Deutschlands
Nun geht der Krieg in Syrien ins dritte Jahr. Das Elend nimmt kein Ende, die Bilder gleichen sich und – seien wir ehrlich – es setzt ein gewisser Gewöhnungs- und Abnutzungseffekt ein. Alles schon gesehen, alles schon berichtet. Wann hört das Töten und Vertreiben endlich auf? Da war die Friedenskonferenz in Genf Ende Januar so etwas wie ein winziger Lichtblick. Die Kriegsparteien in einem Gebäude, wenn auch kaum an einem Tisch. Doch am Ende war die Enttäuschung und Empörung in den Medien über das „Versagen der Diplomatie“ in Genf groß: Jetzt sehe man es ja, dass das alles nichts bringe. Aber was ist hier eigentlich „alles“? Und was ist „nichts“? Und wann ist der richtige Zeitpunkt und was sind die geeigneten Mittel, um „alles“ zu gewinnen?
Kann man sich an einen Krieg weit weg „gewöhnen“?
Der Zeitpunkt für Diplomatie ist schon deshalb richtig, weil es für Diplomatie nie zu spät sein darf. Und weil immer mehr Beteiligte dieses Konfliktes einzusehen scheinen, dass es keine militärische Lösung geben kann. Das zu akzeptieren, war allerdings nicht nur für Assad, nicht nur für die syrische Opposition und für ihre jeweiligen Schutzmächte schwierig. Es war auch schwierig für eine internationale Öffentlichkeit – Opfer der lange von Politik und Medien gesäten Saat der Logik des Militärischen, deren Ernte nun auch im Umgang mit Mali und Zentralafrika aufzugehen droht.
Man sollte sich nichts vormachen: Diese Einsätze von wenigen hundert Soldaten haben militärisch keine Bedeutung. Sie haben im Wesentlichen bündnispolitische Bedeutung. Aber zugleich helfen sie fatalerweise auch, die Distanz der Deutschen zur ‚Logik des Militärischen‘ - siehe Irak und Libyen – wieder abzubauen.
Bauen die Deutschen die Distanz zum Militärischen ab?
Aber zurück zu Syrien: Die Verhandlungen in Genf haben – quälend langsam, aber immerhin – bei den Konfliktparteien den Boden dafür bereitet, sich auf die gemeinsame humanitäre Verantwortung zu besinnen. Das ist mehr, als sich vorher abzeichnete und als man erwarten durfte – für die Anerkennung humanitärer Verpflichtungen, für die Menschen in Homs und für den Friedensprozess. Aber es ist noch keine Erfolgsgarantie und es kostet viel Zeit, Kraft und Energie - viel mehr als nötig gewesen wäre, wenn dieser politisch-diplomatische Suchprozess bereits vor drei Jahren begonnen hätte.
Damals wollte die Bevölkerung mehrheitlich keine gewaltsame Lösung des politischen Konfliktes, und das Assad-Regime wollte das vielleicht auch nicht. Aber es fehlte das Wissen um die Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktbearbeitung, und es fehlte der internationale Wille dazu. Regimewechsel auf der einen, Regimestabilisierung auf der anderen Seite waren die Interessen mächtiger Verbündeter beider Seiten in ihrem eigenen geostrategischen Spiel. Das Interesse der gesellschaftlichen Gruppen in Syrien an politischer Teilhabe, an der friedlichen Bearbeitung politischer Konflikte und an Anerkennung ihrer Rechte spielte dabei keine allzu große Rolle.
Wer schult eigentlich umfassend in nicht-militärischer Konfliktbearbeitung?
Genau das aber sollte das Thema einer neuen Außenpolitik sein: Lösungen für gewaltsame Konflikte finden, in denen kein gesellschaftlicher Grundkonsens besteht über die Natur des Staates, die Prinzipien von Herrschaft und die Regeln für ihre Ausübung. Ein solcher Konsens erfordert einen innergesellschaftlichen Prozess, der von außen nur vorsichtig mit einem intelligenten Mix aus diplomatischen, sozialen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Maßnahmen unterstützt werden kann. Solche Prozesse intensiver und systematischer zu fördern und dazu das Instrumentarium ziviler Konfliktbearbeitung auszubauen und zu verfeinern, wäre in Syrien vor einigen Jahren notwendig gewesen und ist es heute in vielen anderen Konfliktregionen.
Militärische Interventionen lösen Probleme nur scheinbar schneller
Jetzt muss die Staatengemeinschaft mit diplomatischen Mühen das Kind aus dem Brunnen ziehen. Das braucht mehr Geduld und Geschick, als präventiv den Brunnen abzudecken. Militärische Interventionen lösen Probleme nur scheinbar schneller wie die Beispiele Afghanistan und Irak zeigen. Die Prävention von Krisen durch die Bearbeitung wirtschaftlicher, sozialer, politischer Konfliktursachen und die diplomatische, friedliche Beendigung von Gewalt brauchen länger, sind aber billiger. Und fordern keine Opfer.
„Logik des Zivilen“ verbreiten
Die ‚Logik des Zivilen‘ gilt es jetzt gegen das Schlechtreden der Syriendiplomatie zu verteidigen und zu verbreitern. Ebenso wie die Logik des Humanitären: humanitärer Zugang und mehr Hilfe für die Bevölkerung in Syrien und den Nachbarländern, unkompliziertere und umfangreichere Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Der Krieg in Syrien wird uns noch lange begleiten erst in der militärischen Auseinandersetzung und dann in der Bewältigung der Folgen. Und da wird es nicht nur um die Kriegs- und Nachkriegsgeneration gehen, sondern auch um deren Kinder, die mit dem Trauma des Konflikts fertig werden müssen. Die syrische Bevölkerung braucht Jahrzehnte der Solidarität.
Darüber würde ich jetzt gerne mehr hören, wenn von der außenpolitischen Verantwortung Deutschlands die Rede ist. Und vom Stopp deutscher Rüstungsexporte, zum Beispiel an Saudi-Arabien. Und ich warte am Ende des Syrienkrieges und lange vor dem Beginn so vieler anderer auf den Satz: Entwicklung hilft!
Dieser Blogbeitrag basiert auf meiner Herausgeber-Kolumne in Welt-Sichten im März 2014