Ein schweres Jahr
Die Corona-Pandemie hat große Auswirkungen auf die Arbeit unserer Partnerorganisation und das Leben der hilfsbedürftigen Geflüchteten in der Projektregion Mardin in der Türkei. Berfin Ordu und Abdurrahman Kaya, Sozialarbeitende unserer Partnerorganisation Support to Life, erzählen von Einschränkungen und Veränderungen.
Die plötzlichen Veränderungen durch die weltweite Corona-Pandemie beeinflussten das ganze System, an welches wir seit Jahren gewöhnt waren. Wir Mitarbeitende standen vor vielen großen Herausforderungen und versuchten, die bestmöglichen Lösungen für die Probleme der Geflüchteten zu finden. Unser Projekt in der Provinz Mardin führen wir gemeinsam mit der Diakonie Katastrophenhilfe und finanzieller Unterstützung der Europäischen Union durch. Das Projekt zielt darauf ab, den Lebensstandard von Geflüchteten in ländlichen Gebieten zu erhöhen und ihren Zugang zu Rechten und Dienstleistungen sicherzustellen. Gleichzeitig unterstützen wir ihre aktive Teilnahme an der Gemeinschaft.
Registrierungsprobleme in den Grenzdörfern
Schon vor der weltweiten Pandemie waren die Lebensbedingungen der Geflüchteten in der Türkei immer schwieriger geworden. Aufgrund der Grenzmobilität, die im Oktober 2019 begann, traten Pandemiefälle im Land auf, bevor die Geflüchteten, die in den Dörfern an der syrischen Grenze Zuflucht gesucht hatten, registriert werden konnten. Dies hinderte die Gemeinschaft daran, grundlegende Rechte und Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung in Anspruch zu nehmen. In dieser Zeit war das Risiko für gefährdete Gruppen, insbesondere für Neugeborene und Menschen mit chronischen Krankheiten, viel größer. Als Support for Life-Feldteams helfen wir diesen gefährdeten Gruppen, Zugang zu Registrierung und Dienstleistungen zu erhalten.
Besorgnis bei Geflüchteten mit internationalem Schutz
Im letzten Monat des Jahres 2019 wurde eine Änderung im "Ausländer- und internationalen Schutzgesetz" vorgenommen, die sich sehr eng auf Menschen unter internationalem Schutz bezieht. Mit Inkrafttreten der neuen Regelung wurden die Gesundheitsleistungen für Flüchtlinge mit internationalem Schutzstatus, die länger als 1 Jahr in der Türkei leben, eingestellt. Damit endete, abgesehen von gefährdeten Gruppen und der Notfallversorgung, der Zugang zur kostenlosen Gesundheitsversorgung für Personen unter internationalem Schutz. Da diese Entwicklung kurz vor dem Ausbruch der Pandemie in der Türkei stattfand, löste sie unter den Geflüchteten mit internationalem Schutzstatus Besorgnis aus. Am deutlichsten zeigte sich diese Besorgnis in Mardin bei der jesidischen Gemeinschaft. In der Anfangsphase der Pandemie fasste die folgende Äußerung eines jesidischen Klienten während eines Treffens mit unserem Team diese Sorgen zusammen und mobilisierte unsere Teams:
Viele von uns gehen erst ins Krankenhaus, wenn sich die Krankheit verschlimmert; denn, wenn wir hingehen, müssen wir beim Essen Abstriche machen, um die Untersuchung und die Medikamente bezahlen zu können. Während jeder Angst hat, infiziert zu werden, haben wir Angst davor, wie wir uns die Behandlung leisten können, wenn wir infiziert sind.
Während wir als Team versuchten, die Probleme der Menschen zu verstehen, deren Zugang zur Gesundheitsversorgung nach dieser gesetzlichen Regelung eingeschränkt wurde, und diesbezügliche Advocacy-Arbeit leisten, ist durch die pandemiebedingte Quarantäne eine physische Barriere zwischen uns entstanden. Daher mussten auf Instrumente wie Hausbesuche, persönliche Interviews und Gruppenaktivitäten verzichten, die es uns normalerweise ermöglichen, Probleme im Detail zu verstehen.
Herausfordernde Bedingungen
Als die Türkei am 29. Februar 2020 die Grenze zu Griechenland öffnete, verließen viele Flüchtlinge die Städte, in denen sie lebten, um nach Europa zu gelangen. Es begann ein Warten in Ungewissheit unter sehr schwierigen Bedingungen. Nach Wochen kehrten die Flüchtlinge in die Städte zurück, aus denen sie gekommen waren. Wir unterstützten diejenigen, die keinen Zugang zu irgendwelchen Rechten und Dienstleistungen bekommen haben, weil sie nicht registriert sind. Wir wurden Zeugen der schwierigen Bedingungen. Wir waren dabei, als eine Gruppe von Geflüchteten, darunter auch unbegleitete Kinder, nach Mardin gebracht und ihr Transport in die Provinzen, in denen sie registriert wurden, sichergestellt wurde.
Während wir versuchten, uns an die Arbeitsordnung anzupassen, welche die „neue Normalität“ mit sich brachte, begannen wir, Hilfsanfragen für dringende Grundbedürfnisse, insbesondere bezüglich Lebensmittelhilfe, von unseren Begünstigten zu erhalten. Nicht nur wir, sondern auch viele andere Nichtregierungsorganisationen vor Ort erhielten diese Anfragen. Die Geflüchteten hatten Mühe, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, da viele ihre Arbeit verloren hatten. Als die Restriktionen weiter anhielten, wurden die Probleme vielfältiger und noch deutlicher.
Häuser, die für einige sicher waren, waren leider nicht für alle sicher. Wir konzentrierten uns darauf, Gruppen zu erreichen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, indem wir unsere Online-Tools nutzten.
Kinder ebenfalls stark betroffen
Die Maßnahmen, die im Rahmen der Pandemie ergriffen wurden, haben auch Kinder stark betroffen. Mit der Umstellung auf das Online-Bildungssystem sahen sich Kinder mit vielen Herausforderungen konfrontiert, einschließlich der Einschränkung der Sozialisationsmöglichkeiten und des Zugangs zum Recht auf Bildung.
Kinder, die keinen Computer und Internetzugang hatten oder diese Hilfsmittel mit vielen Familienmitgliedern teilen mussten, sahen sich dem Risiko ausgesetzt, die Schule abzubrechen, um stattdessen zu arbeiten. Besonders die meisten Kinder, die im landwirtschaftlich geprägten Bezirk in Mardin leben, mussten mit ihren Eltern zusammenarbeiten.
Wir haben wichtige Lektionen gelernt
Was haben wir als Sozialarbeiter vor Ort gegen diese Probleme unternommen? Wir haben neue Methoden entwickelt, um die Herausforderungen durch die Einschränkungen zu bewältigen. Wir waren während der gesamten Pandemie in regelmäßigerem Kontakt mit öffentlichen Einrichtungen und Organisationen. Wir versorgen Tausende von Geflüchteten mit aktuellen Informationen über aktuelle Dienste, Einschränkungen und Maßnahmen. Wir legen mehr Wert auf Advocacy-Aktivitäten und hatten Treffen mit öffentlichen Institutionen, entweder online oder persönlich.
Wir hoffen, dass wir bald wieder in der Lage sein werden, unsere Begünstigten persönlich vor Ort zu unterstützen. Vielleicht werden die Dinge nicht mehr so sein wie früher, aber wir sind hoffnungsvoll für die Zukunft, die wir gemeinsam aufbauen werden.